Die Welt wird währungs-multilateral: Wie der US-Dollar langsam Gesellschaft bekommt

Du bist ganz oben. Der Taktgeber der Weltwirtschaft. Alle orientieren sich an dir, deine Währung ist Gesetz, deine Zinsen globale Richtlinien. Willkommen in der goldenen Ära des US-Dollars – oder vielleicht besser: willkommen in der Vergangenheit.

Denn langsam, aber sicher, bekommt der Dollar Konkurrenz. Nicht plötzlich, nicht dramatisch, aber stetig. Die Welt marschiert in Richtung einer multipolaren Währungsordnung. Und wie das so ist, wenn Monarchen ihren Einfluss teilen müssen: Die Sache hat Licht- und Schattenseiten. Schauen wir genauer hin.

Ein bisschen Statistik zum Aufwärmen

Per Ende 2024 entfielen laut Internationalem Währungsfonds (IWF) noch rund 57,8 % der offiziellen globalen Währungsreserven auf den US-Dollar – das ist der niedrigste Stand seit 1994. Der Euro folgt mit etwa 19,83 %, während der chinesische Yuan mit knapp 2,2 % noch eher die Reservewährung für Fortgeschrittene bleibt. Andere Währungen wie der kanadische Dollar, der australische Dollar oder der Schweizer Franken machen den Rest von gut 20 % aus.

Kurz: Der Dollar ist immer noch König, aber sein Hofstaat wächst.

Warum eigentlich dieses globale Währungs-Risiko-Spread-Portfolio?

Die Welt hat gelernt, dass Monokulturen nicht nur in der Landwirtschaft gefährlich sind. Wenn die USA niesen, bekommt die Weltwirtschaft Grippe. Zentralbanken und Finanzministerien rund um den Globus suchen deshalb nach Alternativen, um Risiken zu streuen, geopolitischen Spannungen auszuweichen und schlichtweg unabhängiger zu werden.

Ein paar der Hauptgründe:

  • Sanktionen: Der Dollar wurde geopolitisch aufgeladen. Wer nicht spurt, wird aus dem SWIFT-System oder vom Zugang zum US-Finanzmarkt ausgeschlossen.

  • Zinspolitik der Fed: Wenn Washington niest – Pardon, die Federal Reserve die Zinsen anhebt – zieht das Kapital aus den Schwellenländern reihenweise ab.

  • Vertrauensfragen: Die politische Polarisierung in den USA hat das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Dollarregimes nicht gerade gestärkt.

Der Yuan kommt auf leisen Sohlen – mit Parteibuch im Gepäck

China hat grosse Ambitionen. Die Volksrepublik drängt mit dem Yuan – oder Renminbi, wenn du es genau nimmst – auf die Weltbühne. Unter anderem durch bilaterale Handelsabkommen in lokaler Währung (z. B. mit Russland, Brasilien oder afrikanischen Ländern) sowie den Ausbau eines eigenen Zahlungssystems (CIPS) als Alternative zu SWIFT.

Und ja, auch der digitale Yuan ist bereits auf dem Weg – quasi die Kryptowährung mit sozialistischem Antlitz.

Aber: Noch ist der Yuan nicht voll konvertierbar, der Kapitalverkehr bleibt streng kontrolliert und das Vertrauen in die Rechtssicherheit unter chinesischer Regie hält sich – gelinde gesagt – in Grenzen.

Europa: Der ewige Kandidat für den zweiten Platz

Der Euro hätte eigentlich alle Voraussetzungen, um zum ernsthaften Gegenspieler des Dollars zu werden: wirtschaftliche Grösse, politische Stabilität (meistens) und gute Infrastruktur. Aber das Fehlen eines gemeinsamen Kapitalmarktes, nationale Egoismen und eine zerfaserte Schuldenpolitik machen es schwer, Vertrauen aufzubauen.

Die EU könnte das ändern – wenn sie denn wollte. Gemeinsame Anleihen (Stichwort: "Eurobonds"), mehr fiskalische Integration und weniger technokratisches Klein-Klein wären ein Anfang.

Währungs-Wettbewerb: Gut oder Böse?

Hier kommen wir zur Gretchenfrage: Ist eine multipolare Währungsordnung nun Fluch oder Segen?

Die Vorteile:

  • Mehr Resilienz gegen Krisen.

  • Weniger politische Erpressbarkeit.

  • Grössere Gestaltungsfreiheit für Länder und Regionen.

Die Nachteile:

  • Mehr Komplexität im internationalen Handel.

  • Wechselkursrisiken auf Steroiden.

  • Keine klare Ankerwährung mehr in Krisenzeiten.

Der globale Zahlungsverkehr wird jedenfalls nicht einfacher. Unternehmen müssen sich auf mehr Währungen einstellen, Hedging-Strategien auffrischen und CFOs dürfen sich auf neue Excel-Tabs freuen.

Und wie geht es weiter?

Niemand erwartet, dass der US-Dollar morgen vom Thron stürzt. Dafür ist sein Netzwerk zu stabil, seine Kapitalmärkte zu liquide und sein Vertrauen (noch) zu hoch.

Aber: Die Welt bewegt sich. Langsam, mit Seitenschritten, kleinen Irrwegen und dem ein oder anderen Fehlversuch. Aber sie bewegt sich.

Was vor zehn Jahren noch undenkbar war, ist heute Realität: Handelsabkommen ohne Dollar, Rohstoffdeals in Yuan, Gold als Zentralbank-Liebling.

Willkommen in der Welt der währungspolitischen Multipolarität. Sie ist nicht einfach, nicht klar, nicht bequem – aber sie ist das, was man wohl "neue Normalität" nennen muss.

Und vielleicht ist das gar nicht so schlecht. Denn wer will schon eine Welt, in der eine einzige Währung das Kommando hat? (Ausser natürlich, man ist deren Herausgeber.)

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